
Die Kanzlerin fordert die Aufnahme von mehr Flüchtlingen aus Bürgerkriegsgebieten wie z.B. Syrien. Ich begrüße diese Haltung und hoffe doch sehr, dass es einen breiten gesellschaftlichen Konsens in Deutschland gibt, dass wir Menschen in Not helfen müssen. Das ist Menschlichkeit. Das ist gelebte Nächstenliebe. Ich hoffe, dass die Kirchen, die Sozialverbände, die Vereine und auch die demokratischen Parteien das den Menschen erklären und aktiv dafür werben.
Ich kann es jedem Menschen nur empfehlen, sich einmal vorzustellen, dass wir hier aus Angst um Leib und Leben unserer Familien die eigene Heimat Porz verlassen müssen: 3.000 km entfernt kommen wir in ein fremdes Land, in eine fremde Kultur und wissen nicht genau, wie es weiter geht. Ob wir hier vielleicht einen Neuanfang machen dürfen? Wie werden uns die Menschen hier begegnen? Ich wäre froh um jedes Lächeln, um jede Berührung, um jede Geste der Menschlichkeit, um jeden, der mich kennenlernen will und der versucht, mit mir zu sprechen. Aber ich hätte auch große Angst. Angst, ob meine Familie hier sicher ist. Angst, ob man uns nicht wieder zurückschickt. Es gibt leider auch unter uns Flüchtlingen die, die sich gegenüber den Gastgebern nicht so verhalten, wie es sich gehört. Ich hoffe, dass unsere Gastgeber da unterscheiden können.
Wir haben in Köln die dezentrale Unterbringung als die richtige Lösung gewählt. Jeder Ortsteil muss Verantwortung übernehmen. Porz ist es ja auch nicht alleine. Ich schreibe diese Zeilen als jemand, der 200m von einer Flüchtlingsunterkunft entfernt wohnt. In den kommenden Tagen wird zudem eine syrische Familie mit Kindern als neue Nachbarn im Nebenhaus einziehen.
Und ich bin völlig unaufgeregt und werde wohl den direkten Kontakt zu meinen neuen Nachbarn suchen. Ich kann mir vorstellen, wie sich die Menschen fühlen, die aus großer Not zu uns kommen. Mit diesem Thema müssen wir alle sehr behutsam umgehen.
Das eignet sich nicht für die lokale politische Auseinandersetzung. Es gibt geregelte Verfahren und reine Wirtschaftsflüchtlinge dürfen natürlich nicht bleiben. Allen anderen sollten wir mit Neugier und Offenheit begegnen. Es kommt auf die innere Einstellung von jedem Einzelnen, von uns selber an.
Wir haben vor Ort die Aufgabe, Flüchtlinge unterzubringen. Und wir müssen aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen schnelle und doch kostengünstige Lösungen finden. Wir haben keine Zeit, über Jahre zu diskutieren, sondern wir brauchen Lösungen innerhalb weniger Monate. So bequem es gewesen wäre, diese Thematik bis nach den Kommunalwahlen zu verschieben: Verantwortung zu übernehmen bedeutet eben auch, schnelle und unbequeme Entscheidungen zu treffen, wenn es notwendig ist ohne auf Wahlen zu schauen. Ich denke auch, dass die geplanten Unterkünfte eine Lösung auf Zeit sind und in einigen Jahren wieder zurückgebaut werden können. Notwendig sind sie.
Die ersten Reaktionen auf die aus meiner Sicht sehr sorgfältig und transparent ausgewählten neuen dringend benötigten Standorte für Flüchtlingsunterkünfte erschrecken mich zutiefst. Gerne, aber nur nicht vor meiner Haustüre. Das funktioniert nur leider nicht. Nur zu schnell werden Flüchtlingsheime zu Projektionsflächen für alle die in den im Umfeld wohnenden Menschen schlummernden Ängste. Die Angst war in solchen Fragestellungen noch nie ein guter Ratgeber. Da gilt es, mehr Besonnenheit an den Tag zu legen und gemeinsam zu überlegen, wie wir diese Aufgabe angehen und gemeinsam zu einem akzeptablen Ergebnis führen können.
Ich habe kein Verständnis für das Schüren von Ängsten. Ich habe kein Verständnis für die parteipolitische Instrumentalisierung dieses Themas. Ich habe kein Verständnis für schlecht vorbereitete Unterschriftenaktionen DAGEGEN!, ohne den Menschen die Gelegenheit zu geben, sich vorab umfassend zu informieren, miteinander zu reden und dann abzuwägen. Ich habe gar kein Verständnis für die Furcht, dass die eigenen Grundstücke nun weniger Wert sein könnten. Ich habe kein Verständnis für eine Haltung, die jenseits jeglicher Vernunft Gefühle wie Unsicherheit, Angst oder gar Hass benutzt.
Bitte lesen Sie Zeitung, informieren Sie sich, schauen sie sich an, wie ähnliche Projekte in anderen Stadtteilen verlaufen sind, nutzen Sie die in den nächsten Wochen angebotenen Informationsveranstaltungen der Parteien vor Ort, um sich ein eigenes Bild zu machen. Urteilen Sie erst, nachdem Sie alle Fakten kennen. Vielleicht können Sie sich auch persönlich positiv einbringen.
Und wie wäre es denn statt einer abweisenden, vorsichtigen Haltung gegenüber allem Fremden es einmal so anzugehen: Ein Fremder ist ein Freund, den ich noch nicht kenne. Eine solche Haltung kann unser Denken bereichern und führt zu vielen positiven Begegnungen. Lassen Sie sich nicht von Ihren Ängsten beherrschen, sondern ergreifen Sie die Chancen!
Herzlichst
Ulf Florian,
SPD-Kandidat für den Bezirksbürgermeister Porz