Der Krach um Fluglärm: SPD bleibt gesprächsbereit

Harry Voigtsberger, Guntram Schneider, Jochen Ott, Jürgen Roters, Michael Garvens
Michael Garvens, Jochen Ott und Harry Voigtsberger im Gespräch
Harry Voigtsberger, Guntram Schneider, Jochen Ott, Jürgen Roters, Michael Garvens
Harry Voigtsberger, Guntram Schneider, Jochen Ott, Jürgen Roters, Michael Garvens

In bester Laune und für alle Beteiligte gesprächsbereit zeigten sich die Düsseldorfer Spitzenpolitiker aus den Ministerien Verkehr, Harry Voigtsberger und Arbeit, Guntram Schneider sowie der Kölner SPD-Vorsitzende und Landtagsabgeordnete Jochen Ott, der vor über 800 Teilnehmern der Verdi- und Flughafen-Beschäftigtenversammlung zum Thema Nachtflugverbot und Luftverkehrsabgabe sprach und dabei – so die Kölnische Rundschau vom Tage – den meisten Beifall des Abends erhielt. Und auch Kölns OB Jürgen Roters wurde unter großem Applaus empfangen …

Die Gewerkschaft Verdi und die Flughafenleitung des KölnBonner Airports hatten am 30.11.2010 gemeinsam alle Beschäftigte des Flughafens zu einem regen Meinungsaustausch mit den zuständigen Fachministern der NRW-Landesregierung sowie den im Wahlkreis des Flughafenbereiches direkt gewählten Landtagsabgeordneten und Kölner Parteivorsitzenden Jochen Ott eingeladen.

Das in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Grünen im Land vereinbarte teilweise Nachtflugverbot für Passagiermaschinen rief über 800 Teilnehmer der Belegschaftsversammlung in den großen Wartebereich der Abflugebene 2 des Airports. Das von der Landesregierung beabsichtigte Verbot löst bei vielen Flughafenbeschäftigten Job-Ängste aus, die auf zahlreichen Transparenten formuliert wurden.

Eingeladen waren sowohl NRW-Verkehrsminister Harry Voigtsberger als auch NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider, um über den Sachstand zu informieren.

Voigtsberger kündigte an, dass die Landesregierung an den Plänen für ein Nachtflugverbot festhalte und man binnen drei Jahren das Verbot umsetzen zu wolle. Wie das erreicht werden soll, ließ er allerdings offen, denn der Flughafen hat eine Genehmigung bis zum Jahr 2030.

Arbeitsminister Schneider verdeutlichte, dass beim Nachtflugverbot zwei unterschiedliche Standpunkte bestehen und es Aufgabe der Politik sei, für beide Seiten eine Lösung zu finden. Der Wirtschaftsstandort Flughafen verbiete es, den 24-Stunden-Betrieb im Frachtverkehr anzutasten, so Schneider.

Arbeitnehmer und Vertreter des Flughafens bezweifeln das aber, wie Hakan Gülcicek als Sprecher des Betriebsrates es formulierte. Die Mitarbeiter befürchten bei einem Nachtflugverbot den Abbau von bis zu 1.700 Arbeitsplätzen.

Zuvor zeigte sich Flughafenchef Michael Garvens in seiner Begrüßungsrede eher gelassen. Der Flughafen besitze eine Nachtfluggenehmigung, die bis 2030 gültig sei. Diese beinhalte auch die Erlaubnis für Passagierflüge in der Nacht. Garvens geht davon aus, dass diese Genehmigung gerichtsfest sei.

Die Auswirkungen eines Verbotes von Passagierflügen in der Zeit von 0 bis 5 Uhr hat die Flughafengesellschaft im Jahr 2008 untersuchen lassen. Es würde zu einem Rückgang der Passagierzahlen von 1,2 Millionen pro Jahr führen – und bereits im ersten Jahr zum Wegfall von rund 1700 direkten und indirekten Arbeitsplätzen. Die Einnahmeverluste wären für die finanzielle Situation des Unternehmens bedrohlich, so Garvens.

"Als direkt gewählter Abgeordneter des hiesigen Wahlkreises melde ich mich deshalb zum Thema Flughafen und Nachtflüge zu Wort, weil ich hier vor Ort eine eigene Position vertrete; denn ich bin nicht nur von den Beschäftigten des Flughafens, sondern auch von den Anwohnern gewählt worden", begann Jochen Ott seine Rede zur Positionsbestimmung.

"Das Verbot für Passagierflüge ist keine wirkliche Lösung des Problems", so MdL Jochen Ott, der im anschließenden Gespräch Fragen hierzu beantwortete:

Frage: Im Rahmen der landesweiten Aktion „TatKraft“ haben Sie am Gepäckband Nachtschicht geschoben und die Schattenseiten des Arbeitslebens kennen gelernt ?

Oh ja, ich hatte die Gelegenheit, hier auf dem Flughafen die Arbeit in der Abfertigung selbst mit zu erleben, während ich hier im Nachteinsatz tätig war. Dabei habe ich mit den Menschen sehr spannende und lehrreiche Stunden verbracht und vor allem zwei Dinge gelernt:

Erstens: Der Flughafen ist ein Jobmotor, und viele Menschen arbeiten hier körperlich sehr hart bei Wind und Wetter. Deshalb ist es mir wichtig, die Arbeitsbedingungen auch in den Blick zu nehmen. Da geht es darum, dass Leiharbeiter deutlich schlechtere Bedingungen haben und es geht darum, dass Menschen von den Löhnen, die sie verdienen, auch in der Regelarbeitszeit leben können.

Und zweitens: Die enorme Bedeutung des Flughafens für den Wirtschaftsstandort macht nächtliche Frachtflüge unverzichtbar ! Und unter diesem Gesichtspunkt ist das Verbot für Passagierflüge keine wirkliche Lösung des Problems. Der berechtigte Blick auf die Anwohner und die starken Belastungen des Fluglärms dürfen die wirtschaftliche Bedeutung nicht ignorieren.

Frage: Aber der Lärm… ?

Dazu sage ich hier auch in aller Deutlichkeit: Wenn die Städte, wie Lohmar und Siegburg seit Jahren neue Wohngebiete direkt am Flughafen ausweisen – in dem Wissen, dass der Fluglärm die neuen Bewohner stören wird -, dann ist dies unmoralisch und verlogen. Glaubhafte Interessenvertretung von Städten und Gemeinden sieht anders aus ! Sie profitieren von der Nähe des Flughafens mit seiner Wirtschaftkraft und Leistungsfähigkeit, fliegen von hier aus in den Urlaub und bekämpfen andererseits den Flughafen gnadenlos. Das ist kein fairer Umgang miteinander !

Frage: Man befürchtet, dass einige Gegner des Nachtfluges in Wirklichkeit den Frachtflug meinen ?

Das ist wie der Minister hier es dargestellt hat, wir stehen zur Betriebserlaubnis des Flughafens bis 2030. Und der Koalitionsvertrag sagt ganz klar, dass Passagierflüge nachts zu stoppen seien. Er bezieht sich dabei ausdrücklich – und ich war selbst bei den Verhandlungen dabei – auf den damals (2007) einstimmig von allen Parteien des Landtages gefassten Beschluss, den Nachtflug für Passagiere nachts zu stoppen, weil es – so die Überlegung – einen Ausgleich der Interessen zwischen den Anwohnern und dem Flughafen herzustellen gilt.

Frage: Sind Passagiernachtflüge "gerichtsfest"?

Ich habe aber schon in den Koalitionsverhandlungen als Kölner Abgeordneter immer wieder darauf hingewiesen, dass sich rechtlich das Nachtflugverbot für Passagiere schwer durchsetzen lässt. Und auch der Minister (Voigtsberger) und auch der Staatssekretär (Becker) haben in verschiedenen Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass es hier eine Genehmigung des Bundesverkehrsministers (Ramsauer) geben muss, und danach hier auch die Frage einer rechtlichen Auseinandersetzung geboten ist.

Und da frage ich mich als Abgeordneter: Ist es eigentlich glaubwürdig zu versprechen und zu sagen, ´das Passagiernachtflugverbot kommt´, wenn genau diese Phase (der rechtlichen Auseinandersetzung) von 2 bis 3 Jahren vergehen kann, bis es überhaupt zu einer Klärung (der gültigen Betriebserlaubnis) kommen kann ?

Frage: Also viel Lärm um Nichts ?

Ich glaube fest, dass es für uns ganz besonders wichtig ist, nicht eine ´Popanz-Diskussion´ insgesamt zu führen, sondern es ist klar: Das politische Ziel ist formuliert, da kann ich auch als Abgeordneter meiner Fraktion nicht einfach sagen, ´der Koalitionsvertrag ist nicht da´! Nein, der Koalitionsvertrag ist da, aber ist es nicht jetzt sinnvoller, sich mit Fed-EX und UPS an einen Tisch zu setzen und darüber zu reden, dass möglichst kurzfristig Boings wie 747 und 77 für die Fracht eingesetzt werden, damit die „fetten Kracher“ vom Himmel kommen können ? Das bringt den Anwohnern wesentlich mehr ! Denn nachts stören in erster Linie die lauten Maschinen die MdL´s beim Schlafen, und das sind eben nicht die Passagiere. Dazu ist aber wichtig, die Unternehmen nicht zu beschimpfen, sondern gemeinsam nach Wegen zu suchen, einen solchen Invest in moderne Maschinen kurzfristig möglich zu machen. Denn der Wettbewerb im Luftfrachtverkehr ist knallhart, und die Zeche mussten bisher immer die Arbeiter zahlen – damit muss Schluss sein !

Frage: Sind Nachtflugverbot und Luftverkehrsabgabe damit für die SPD „vom Tisch“ ?

Ich habe wiederholt betont, dass ich persönlich gegen die Luftverkehrsabgabe – in dieser Form – bin. Denn wir brauchen beim Thema Nachtflugverbot und Luftverkehrsabgabe schnelle europäische Initiativen, das sind Themen, die nur europäisch geregelt werden können ! Es ist doch absurd, wenn die Holländer die Luftverkehrsabgabe einführen, nach 1 Jahr wieder abschaffen, und dann bei uns die Bundesregierung sie wieder einführt. Das ist doch keine vernünftige ´europäische´ Politik !

Wir wissen doch längst, dass sich das Nachtflugverbot für Passagiere rechtlich nur schwer durchsetzen lässt, und dass es hierzu eine Genehmigung des Bundesverkehrsministers geben muss; von den danach anstehenden Fragen einer rechtlichen Auseinandersetzung einmal ganz abgesehen. Wir brauchen jetzt alle Leute an einem Tisch, und wir müssen dafür sorgen, dass insbesondere im Nachtflugbereich die dicken lauten Brummer vom Himmel kommen und stattdessen neue moderne Maschinen kommen, die eben nicht mehr so laut sind. Das hilft den Menschen wirklich und keine „Was-wäre-wenn“-Diskussion“.

Frage: Wie lautet Ihre Zukunftsbotschaft an die Beschäftigten des Flughafens ?

Wir suchen Dialog und Konsens mit allen Beteiligten und sind an einer Lösung interessiert, die sich am Interessenausgleich orientiert. Ich sage hier klar und deutlich – auch mit schönen Grüßen vom Fraktionsvorsitzenden im Rat der Stadt Köln Martin Börschel, der ja hier bei einer Betriebsversammlung zu diesem Thema war:

Eine Privatisierung des Flughafens wird es mit mir und der Kölner SPD niemals geben. Dieser Flughafen gehört zur Daseinsvorsorge, und er wird es bleiben… !"

Mit dem Kölner SPD-Vorsitzenden und Landtagsbgeordneten Jochen Ott sprach für NRWSPD.net Karl-Heinz Tillmann, Pressesprecher und Mitglied des J.Ott-Teams Bürgerbüro Porz, 2010