Gedenken an die Verstorbenen

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Bezirksbürgermeister Stadoll

Beim Gedenken an die Verstorbenen fällt mir ein Gedicht von Bertolt Brecht ein.

Bitten der Kinder

Die Häuser sollen nicht brennen
Bomber sollt man nicht kennen
Die Nacht soll für den Schlaf sein
Leben soll keine Straf sein
Die Mütter sollen nicht weinen
Keiner sollt töten einen
Alle sollen was bauen
Dann kann man alle trauen
Die Jungen sollen’s erreichen
Die Alten desgleichen

Dies möchte ich meinen Betrachtungen zum Totensonntag voranstellen.

„Er möge ruhen in Frieden!“ ist ein auf Soldatenfriedhöfen häufig verwendeter Satz und er hat hier auch seine Bedeutung.
Wie uns das Antikriegsgedicht von Bertolt Brecht zeigt, übersteigen die Gräuel des Krieges immer die Fantasie der Menschen im Frieden.
Die Welt in der wir heute leben, hat in jüngster Zeit erlebt wie schnell wir aus unserer Friedensseligkeit herausgerissen werden.

Noch ergriffen vom Manhatten-Trauma formulierte ein Journalist angesichts der Opfer von Terror und Gewalt: „Hier ruht der Friede!“
Dieser Satz ist seit dem 11. September 2001 bittere Realität. Der “neue“ Krieg lässt nicht einmal mehr der Trauer und dem Gedenken eine wirkliche Chance.

Der Terror trifft auf Menschen, die sich an eine friedliche Lebensform gewöhnt haben. Zuerst steht auf seinen Fahnen der Sieg über alle Vernunft:
Irritation, Angst, Panik und Lebensverdruss sind seine psychologischen Ziele, seine politischen Ziele sind die Selbstzerstörung der Zivilisationen und Demokratien!

Frieden ist unser höchstes Gut, aber wo Worte der Verständigung nicht möglich sind, bleibt es eine kurzlebige Utopie.

Auf dem Höhepunkt der Erkenntnis der Sinnlosigkeit des Krieges in der Zeit des Kalten Krieges entstand die Ideologien übergreifende Friedensbewegung, die gerade in Deutschland wuchs, wo zwei Kriege angezettelt worden waren und unsere Vergangenheit das systematischste terroristische Verbrechen der Weltgeschichte, den Holocaust, hervorgebracht hatte.

Wir gerade auf deutschem Boden haben ein Jahrhundert hinter uns, an dessen Anfang kaiserliche Kriegseuphorie, nationalistischer Größenwahn, Vertreibung und organisierter Terrorismus standen. Allein die Vertreibung, ein erzwungenes Verlassen aufgrund von Verfolgung und Diskriminierung, eine erzwungene Flucht aufgrund von Androhung von Gewalt hat viele Wunden gerissen.

Wir haben die zweite Hälfte des Jahrhunderts benötigt, um mit den Wunden dieser Zeiten leben zu lernen.

Dankbar müssen wir vor allem den Staaten sein, die unserem Land schon bald vernünftiges Handeln und Denken zutrauten und Freiheit zugestanden.

Ein irregulärer Krieg kennt keine regulären Grabstätten und Gedenktafeln. Es ist die gewollte Tragik des Terrors, dass Friedfertige aus ihrer Ruhe herausgerissen werden. Man provoziert die Gegenwehr, um damit auch die eigenen Leute zum Kampf zu mobilisieren. Hoffentlich erkennen viele von denen, die blind nach einem “Heiligen Krieg“ schreien, dass Gewalt immer unheilig ist!

Wer unsere westlichen Werte,
die Unantastbarkeit der Würde des Menschen,
die freie Selbstbestimmung – als Gläubiger oder Nicht-Gläubiger, als Mann oder Frau, als Weißer oder Dunkelhäutiger – in Zweifel zieht, steht nicht mit uns auf dem gemeinsamen Boden des Friedens und der Freiheit, denn es gibt keine verschiedenen Menschenrechte.

Erschreckend ist es, dass diese Werte im Kalkül des Terrors als Positionen der Wehrlosigkeit vorausgesetzt sind, da Christen, Humanisten und Sozialdenker als Gewaltgegner sich nach einer solchen vordergründigen Vorstellung nicht wehren dürfen. Hier geht es um Grundsätzlicheres, als nur darum, durch das Hinhalten der anderen Wange nach einer Ohrfeige einige Nachteile in Kauf zu nehmen.

Wir haben alle noch in Erinnerung, als die Anschläge in Europa immer näher kamen, dass die Angst in diesem Land ehrlich war, dass die terroristische Gefahr nicht nur besteht, sondern dass Terroristen auch hier in Deutschland zuschlagen könnten. Deshalb haben wir uns in Afghanistan engagiert.
Vielleicht wurde nicht alles zu jeder Zeit richtig gemacht, aber wer kann das was in der Hitze einer Auseinandersetzung passiert im Nachhinein wahrhaftig beurteilen. Hier ist Vertrauen in die handelnden Personen, Institutionen und unsere Soldaten gefordert.

Niemand ist so naiv, zu glauben, dass wir dort nur mit militärischen Mitteln handeln könnten. Diesen geschundenen Menschen auf die Beine helfen und den friedliebenden Teil des Volkes beim Aufbau der Demokratie zu unterstützen ist unser Ziel.

Wir können, sollen und wollen zu Gott um Frieden beten, aber wir Menschen selbst müssen diesen Frieden bauen und ein gutes Haus braucht ein starkes Fundament, im Bewusstsein dessen, dass kein Frieden unmittelbar und automatisch aus Waffengewalt hervorgeht, sondern nur aus klar definierten politischen Verhältnissen wirklicher Toleranz und einem dann erst möglichen offenen Dialog.
Gerade unsere leidvolle deutsche Geschichte lehrt, dass man dem Terror frühzeitig begegnen muss.

Wir gedenken aller Gefallenen und Opfer weltweit und stehen fassungslos vor der Erkenntnis, dass die Opfer der Ignoranz und des Terrors nach Opfern für die Toleranz und den Frieden rufen zum Schutz der Menschen und Kinder in aller Welt, ihres freiheitlichen Glücks und ihrer friedvollen Zukunft.

Unsere Hoffnungen richten sich auf den Frieden. Könnte der Friede doch mit Mitteln des Friedens erreichbar werden, damit wir nicht anstelle des innigen Wunsches: „Ruhe in Frieden!“ verbittert noch lange sagen müssen: „Hier ruht der Friede!“

Abschließend möchte ich mich bei allen Anwesenden für ihr Erscheinen bedanken.
Durch ihre Anwesenheit sorgen sie dafür dass an die zurückliegenden Gräuel erinnert wird und damit auch eine Jugend heranwächst die den Gedanken an einen wehrhaften Frieden weiter trägt

Rede des Bezirksbürgermeisters Stadoll anlässlich des Volkstrauertages