LESEZEICHEN: Von Platzeck zu Beck

Der neue SPD-Vorsitzende Kurt Beck ist in der deutschen Politik eine Ausnahmeerscheinung. Sein Sinn für Kompromisse könnte zu seiner größten Stärke werden.Dies schreibt die Tageszeitung DIE WELT in ihrer Aufsgabe vom 11. April 2006. Mit Platzeck verliert die Partei ihre Zukunftshoffnung, die die Perspektive für die Bundestagswahl 2009 verkörperte, heißt es weiter in der WELT.

Daß die Wahl im engen Führungszirkel der SPD am Sonntagabend auf Kurt Beck fiel, wundert dabei wenig – und beruht auf einem weiteren Alleinstellungsmerkmal, schreibt DIE WELT. Wir lesen:

" … Beck hat seine Landtagswahl am 26. März nicht nur siegreich überstanden, er holte für die ansonsten depressive SPD gar die absolute Mehrheit. Bis dato war Beck der letzte sozialdemokratische Ministerpräsident in einem westdeutschen Flächenland, seither ist er: unangefochten…"

Beck, so DIE WELT, sieht sich in der kurzen, programmatisch aber durchaus tiefgründigen Tradition Platzecks. Wörtlich heißt es:

"Beck knüpft nicht aus Höflichkeit an den erkrankten Vorgänger an. Er tut dies überzeugt, ist er doch kein sozialdemokratischer Theoretiker, sondern ein Mann mit Kompaß und Sinn für Kompromiß wie Konsens. Ideologische Argumentationen kann er nicht ertragen, Parteilinken wie Grünen begegnet er skeptisch…"

Platzeck war mehr als nur ein frisch ins Amt gekommener Parteivorsitzender, meint die FRANKFURTER RUNDSCHAU in ihrer Ausgabe vom 11.04.2006. Wir lesen:

" Nach fast zwei Jahrzehnten unter all den Übergangs-Chefs sollte und wollte er wieder für längerfristige Orientierung stehen. Und klar war, dass er der Herausforderer für Angela Merkel sein würde. Aus SPD-Sicht: der Nachfolger. Zwar war, speziell zwischen ihm und dem deutlich älteren, 2009 ausscheidenden Vizekanzler Franz Müntefering, manches wahrlich noch nicht perfekt sortiert. Die Interessen gingen mitunter sogar auseinander. Aber Platzeck schienen solche Reibungen nicht sonderlich zu berühren…"

Der "geborene" Nachfolger Kurt Beck wird väterliche Integrationskraft nach innen aufbringen, aber er ist noch weniger als der Potsdamer Vorgänger ein programmatisch denkender Mann, schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU. Wörtlich:

" Schwer vorstellbar, dass er (Beck – Red.) bundesweit genug Ausstrahlung in die Gesellschaft hinein aufbringt, um künftigen sozialdemokratischen Führungsanspruch im Bund zu verkörpern. Beck bedeutet eher erneut: Übergang. Und bis aus der blassen SPD-Generation der heute 40-Jährigen jemand mit Führungsperspektive herauswächst, kann es lange dauern. Dort gibt es zwar ein paar Ehrgeizige, aber niemanden mit natürlicher Autorität und zugleich solidem, die Partei einigendem Fundament…"

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG eignet Kurt Beck die Rolle eines Vermittlers zu. Wörtlich schreibt das Blatt in seiner Ausgabe vom 11.04.2006:

"Beck wird jetzt verstärkt auf andere seiner Talente und Eigenschaften zurückgreifen müssen – auf seine ausgleichende, vermittelnde Art, auf seinen Glauben an die Vernunft, nicht zuletzt auf seinen Status als Sozialdemokrat klassischer Prägung. Daß er als solcher auch von den Linken und Intellektuellen der Partei ernst genommen wird, wenngleich er kein Theoretiker und kein Visionär ist, liegt an seiner Herkunft und seinen beruflichen und politischen Lehrjahren…"

Die SPD bekommt einen Vorsitzenden, zu dessen Vorzügen Führungsstärke, Mitgefühl und Stilempfinden gehören, schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in ihrer Ausgabe vom 11.04.2006. Wörtlich heißt es:

"… Führungsstärke bewies er in der Woche nach der gewonnenen Landtagswahl, als er innerhalb von vier Tagen sein neues Kabinett aus acht Ministern und zwölf Staatssekretären fertig hatte. Mitgefühl und Stilempfinden zeigt er nicht nur am Montag im Willy-Brandt-Haus in Gegenwart seines Vorgängers; es sind zwei Eigenschaften, die Beck durchweg auszeichnen: Nachdem die Grünen in RheinlandPfalz am 26. März überraschend aus dem Landtag geflogen waren, bot Beck deren vor der Arbeitslosigkeit stehenden Mitarbeitern an, Jobs in der Landesverwaltung zu suchen. Nachdem der Hurrikan Katrina im vergangenen August den US-Bundesstaat Louisiana verwüstete, stellte er jedem in Rheinland-Pfalz stationierten und von der Katastrophe betroffenen US-Soldaten 1000 Euro zur Verfügung…"