LESEZEICHEN: „Wir müssen jetzt Power zeigen“

Was macht die SPD falsch? Diese Frage stellte die FRANKFURTER RUNDSCHAU (Ausgabe 20.08.2005) in einem Interview mit Bundeswirtschaftsminister und noch bis November SPD-Parteivize Wolfgang Clement. Seine Antwort: "Entscheidend ist, dass wir klar machen: Wir sind die maßgebliche Kraft, die in Deutschland wieder die Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung geschaffen hat. Die garantiert, dass dieser Prozess mit Augenmaß und dem Gefühl für soziale Balance weiter geht. Alles andere sind abseitige Auseinandersetzungen, Inszenierungen."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU verweist darauf, dass auch Frau Merkel jetzt das Ziel von Wachstum und Beschäftigung plakatiere. Dazu Clement:

"Das tut sie – aber darum geht es ja gerade: Im politischen Wettbewerb muss deutlich werden, dass das Angebot der Union dazu nicht taugt. Nehmen sie die Steuer- und Gesundheitsreform, nehmen Sie die Mehrwertsteuererhöhung oder die Notwendigkeit der Konsolidierung der Staatsfinanzen. Da passt nichts zusammen. Mit uns ist das Land wieder auf den Weg an die Spitze Europas zurückgekehrt. Das zeigen alle nationalen und internationalen Bewertungen. Schauen Sie nur in den neusten Economist. Ein einziges Lob auf die deutsche Wirtschaft. Mit diesen Argumenten müssen wir wuchern."

Manche in der SPD, so die FRANKFURTER RUNDSCHAU, sagen: Clement ist derjenige, dem wir das Tief zu verdanken haben. Wie antworten Sie denen?

"Denen sage ich genau das: Wir sind heute international wettbewerbsfähig, wie noch nie. Die Rote Laterne in Europa – ein Erbstück aus der Kohl-Ära – haben wir durch unseren mühsamen, aber notwendigen Reformprozess abgegeben. Trotz aller Widrigkeiten wie dem 11. September oder dem Zusammenbruch der Neuen Märkte. Und ich sage: Schaut auf diese Erfolge und sagt sie den Menschen."
Wolfgang Clement zieht folgende Bilanz:

"(…) Wir müssen (…) jetzt die politische Power der Sozialdemokratie voll zur Geltung bringen. Anders kann man auf den letzten Metern nicht gewinnen. Die Leute interessieren sich in Wahrheit doch sehr konkret für Politik. Für Ausbildungsplätze zum Beispiel für ihre Kinder oder Enkel. Ohne uns gäbe es diesen Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit nicht und mit Frau Merkels Vorstellungen von Arbeitsmarktpolitik würde davon nichts übrig bleiben. Ich erlebe in diesen Sachfragen keine Ablehnung der Sozialdemokratie. Nicht einmal die meiner Person, obwohl ich darauf ja durchaus gefasst bin. (…)

Mit dem Appell von Günter Grass an seine Schriftstellerkollegen, sich für die rot-grüne Bundesregierung einzusetzen, beschäftigt sich die Tageszeitung DIE WELT in einem Kommentar im Feuilletonteil vom 13. August 2005. Darin heißt es:

(…) "Irritation herrscht allerdings darüber, daß dem Wahlkampf-Ruf des Alten (Grass)jetzt doch eine Reihe jüngerer Schriftsteller gefolgt ist wie Eva Menasse, Michael Kumpfmüller und Feridun Zaimoglu. Man darf gespannt sein, wer sich noch dazu gesellt. Sie wollen in den kommenden Wochen in kritischer Solidarität für eine Fortsetzung der rot-grünen Regierung werben.

Man darf gespannt sein, wie sie das tun, mit welcher Sprache, mit welchen Argumenten, mit welchen persönlichen Begründungen. Die lärmende, aber merkwürdig sprachlose, von der Demoskopie planierte und auf die Äußerlichkeit der Inszenierung fixierte Öffentlichkeit hat die authentische Rede politisch reflektierender Bürger bitter nötig. Die Demokratie muß wieder zu ihrer Sprache finden. Da können Schriftsteller schon helfen."