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Die Wahlen in Nordrhein-Westfalen rücken immer mehr in den Blickpunkt der Berichterstattung und Kommentierung in der Presse. Alarmiert durch die Kieler Niederlage der SPD, sucht Peer Steinbrück nach dem richtigen Wahlkampfrezept. Der Ministerpräsident will Personalisierung, SPD-Chef Schartau setzt auf Sachthemen, heißt es in der jüngsten Ausgabe (28.02.2005)des SPIEGEL.

Unter der Überschrift "Der Profi und sein Sozi" schreibt das Magazin:

Das Visavirus hat NRW erreicht und soll, nach dem Willen der CDU, Rot-Grün bis zum Wahltag am 22. Mai ordentlich infizieren. Die Genossen an Rhein und Ruhr sind alarmiert. "Schleswig-Holstein hat gezeigt, dass Wahlen erst auf den letzten Metern entschieden werden", warnt Ministerpräsident Peer Steinbrück. "Ernüchterung" verspürte sein Superminister Harald Schartau nach der Kieler Klatsche. In der Analyse ist sich das Führungsduo einig. Über das richtige Gegenmittel aber gehen die Meinungen weit auseinander. Aufgeschreckt suchen die Genossen nach der richtigen Kampftaktik vor der wichtigsten Wahl des Jahres. Viel wird abhängen von einer funktionierenden Achse Steinbrück/Schartau: Ähnlich wie in Berlin soll die wirken, wo Kanzler Schröder und Parteichef Müntefering die Arbeitsteilung zwischen zupackendem Reformer und werbendem Parteipolitiker üben.

Doch noch eiert das nordrhein-westfälische SPD-Tandem bedenklich, meint DER SPIEGEL. Weiter lesen wir:

Schartau analysiert nach der Kieler Schlappe, dass der Heide-Faktor überschätzt worden sei: "Die Leute wollten über Themen reden." Steinbrück sieht es genau umgekehrt: "Ohne Simonis hätte die SPD weniger bekommen." Hinter den Bewertungen stecken zwei verschiedene Politikkonzepte, unterschiedliche Typen.

Steinbrück macht die Anzug-Termine, gibt den Wirtschaftsprofi und Reformer. Schartau ist zuständig für die Blaumann-Themen, fühlt den Puls der Partei, redet mit verunsicherten Schornsteinfegern und übersetzt das Wirtschaftsdeutsch des Chefs ins Sozialdemokratische.

Schartau will wieder parteikompatible Themen nach vorn schieben: Bildung, Familie und – vor allem – Arbeitsplätze. Darum müsse die Visaaffäre "zügig vom Tisch", giftet er gegen Joschka Fischer. Steinbrück sieht das gelassener: "Die Visafrage als ein NRW-Problem darzustellen funktioniert nicht." Er setzt weiter auf Personalisierung, "er oder ich". Bei einer Direktwahl, das weiß er, würde er seinen CDU-Gegenspieler Jürgen Rüttgers schlagen. Aber es gibt keine Direktwahl. Die Menschen müssen ihr Kreuz bei der SPD machen – und das fällt vielen schwer.

Soweit die Zitate aus der jüngsten Ausgabe des SPIEGEL.

In einem Interview mit der WELT AM SONNTAG äußert sich Ministerpräsident Steinbrück optimistisch zum Wahlausgang am 22. Mai. Auf die Frage, woher er den Rückenwind für einen SPD-Sieg am 22. Mai nehme, antwortet Steinbrück wörtlich:

"Aus dem, was wir seit Juni letzten Jahres geschafft haben. Wir lagen bei der Europawahl bei 25,7 Prozent. Schon bei der Kommunalwahl – insbesondere bei den Stichwahlen – haben wir Boden gut gemacht und heute stehen wir bei 37 oder 38 Prozent. Warum sollen wir nicht weiter zulegen, wenn wir uns überzeugend präsentieren und unsere Anhänger mobilisieren?"

Zur Frage neuer Arbeitsplätze erklärt Steinbrück in der WELT AM SONNTAG:

"Die Dramatik der Arbeitslosigkeit will ich nicht verniedlichen. Aber sie hat sich nicht verändert seit Ende letzten Jahres. Mehr als 200.000 ehemalige erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger sind im Januar erstmals in der Statistik registriert worden. Die waren zwar auch schon vorher arbeitslos, aber sie tauchten in der Statistik bisher nie auf. Jetzt gibt es erstmals ein realistisches Bild. (…) Die Schaffung von Arbeitsplätzen steht für uns an allererster Stelle. Ganz gleich, ob in der Industrie, bei der Gentechnik oder im Dienstleistungsbereich."

Zu Reformen in der Schulpolitik betont NRW-Ministerpräsident Steinbrück im Interview mit WELT AM SONNTAG:

"Ich bin dafür, dass wir mit allen darüber in Ruhe reden, mit Lehrern und Eltern, mit Wissenschaftlern, Gewerkschaften und Parteien. Wenn dabei herauskommt, dass die jetzige Schulstruktur Vorteile hat, dann bleibt es dabei. Wir haben im Übrigen in den letzten zweieinhalb Jahren erheblich reformiert. Wir haben im Vergleich zu 2001 in diesem Jahr wöchentlich 200 000 zusätzliche Unterrichtsstunden. Durch Einstellung von 4000 zusätzlichen Lehrern und weil alle Lehrer eine Wochenstunde mehr geben müssen. Wir haben den Sprachunterricht ausgebaut, das Modell der Selbstständigen Schule und die Ganztagsbetreuung ausgeweitet, das Abitur nach zwölf Jahren eingeführt, Lernstandserhebungen und vieles mehr durchgesetzt."