
Datenschützer des Landes NRW wittern Unrat: Es existiere eine CD-ROM, auf der die Kölner CDU die Daten von 98 Prozent der Wahlberechtigten im Wahlkreis 94 (Porz, Kalk, nördliche Innenstadt) gespeichert habe. Das berichtet der "Spiegel" in seiner Online-Ausgabe vom 13. Oktober:
UMSTRITTENE WÄHLERDATENBANK
Kölner CDU im Visier der Datenschützer
Von Alva Gehrmann
Die Kölner CDU ließ im Bundestagswahlkampf nichts unversucht, um sich detailliert über die Wahlberechtigten zu informieren. Dabei überschritt die Partei offenbar rechtlich zulässige Grenzen. Auch in anderen Bundesländern werden ähnliche Fälle gemeldet.
Köln – Bei der diesjährigen Bundestagswahl wollte sich die Kölner CDU besonders gründlich vorbereiten. Ihr Chef Richard Blömer hoffte, sich einen Traum zu erfüllen: Die alte SPD-Hochburg endlich zu gewinnen. Um ihre potenziellen Anhänger gezielt umwerben zu können, verschafften sich die Christdemokraten so viele Informationen wie möglich über die wahlberechtigten Bürger. Doch genau dieser Einsatz kann dem CDU-Kreisverband nun zum Verhängnis werden. Denn die Datensammlung ist vermutlich rechtswidrig.
Die Datenschutzbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen prüfen derzeit eine CD-Rom, auf der 98 Prozent der Wahlberechtigten des Kölner Wahlkreises 94 mit Adresse, Telefonnummer und Alter erfasst sind. Doch damit nicht genug: Zusätzlich sind dort auch Daten über die vermuteten Lebensumstände der rund 176.000 Bürger gespeichert: Sozialer Status, Leistungsklasse der Autos sowie die Wohnsituation. Vergleichbare Datenbanken soll es auch für die anderen Kölner Wahlkreise geben.
"Die Fülle der Informationen ist uns derzeit unerklärlich", sagt Bettina Gayk von der nordrhein-westfälischen Datenschutzbehörde, die zur Zeit die Rechtmäßigkeit der erhobenen Daten prüft.
Daten aus legalen Quellen gewonnen
Zusammengestellt wurde die CD-Rom vom Meinungsforschungsinstitut dimap, deren Tochtergesellschaft Infratest dimap auch die Wahlprognosen für die ARD erstellt hat. Sowohl Reinhard Schlinkert, Geschäftsführer von dimap, als auch der Kölner CDU-Chef Richard Blömer, dessen Kreisverband die CD-Rom in Auftrag gegeben hat, können die ganze Aufregung um die Wählerdatenbank nicht verstehen. Schließlich habe man die Daten aus legalen Quellen gewonnen: "Das sind Daten die man einkaufen kann", so Blömer. Es seien ganz normale Werbedaten, die auch im Direktmarketing genützt würden.
Eingekauft wurden von der CDU zum Beispiel Adressdaten aus dem Wählerverzeichnis. Die Meldebehörde der Stadtverwaltung ist dazu verpflichtet, Parteien auf Anfrage diese Daten für deren Wahlkampfzwecke zu geben – gegen Bezahlung. Und mit einen wichtigen Einschränkung: Sie dürfen nur Informationen von einzelnen Altersgruppen herausgeben. Das will die Kölner CDU auch eingehalten haben. Blömer gibt an, seine Partei habe sich nur die Adressen der Erst- und Jungwähler (18 – 28 Jahre) und der über 70-Jährigen besorgt.
Das mag für den CDU-Kreisverband stimmen. Doch wenn 98 Prozent der Wahlberechtigten erfasst sind, dann müssen noch von anderen Personen weitere Informationen angefordert worden sein – theoretisch auch durch den Landesverband und die Bundespartei. Denn jeder Parteiverband kann eine gesonderte Anfrage beim Meldeamt stellen.
Komplettes Wählerverzeichnis für Parteien verboten
"Die Parteien dürfen kein komplettes Wählerverzeichnis erhalten", sagt Michael Friedrichsen von der Stadtverwaltung Köln. Der Leiter des Wahlamtes kann sich die Fülle der Daten auf der CD-Rom auch nicht erklären. Er räumt jedoch ein, dass die Stadtverwaltung normalerweise nicht abgleicht, welcher Partei-Verband welche Wählergruppedaten anfragt. Sicher sei jedoch, dass nach dem Meldegesetz die von den Verbänden einzeln angefragten Adressen der Wahlberechtigten nicht zusammengetragen werden dürfen, betont Friedrichsen.
Genau das ist aber in diesem Fall passiert. Eine Sprecherin der Kölner Stadtverwaltung gibt mittlerweile zu, dass die CDU Datenanfragen für alle Altergruppen gemacht hat. Nach und nach habe sich die Partei das komplette Wählerverzeichnis beschafft, so die Sprecherin.
Dagegen steht die Aussage vom Kölner CDU-Chef Blömer. Gegenüber SPIEGEL ONLINE beharrte er weiterhin darauf, nur ein Teilwählerverzeichnis beantragt zu haben.
Verwirrung herrschte zunächst auch darüber, wer denn nun die Adressdaten bei der Meldebehörde besorgt hat. Zunächst schob die CDU dem Meinungsforschungsinstitut den schwarzen Peter zu – es habe alle erforderlichen Daten selbst besorgt. dimap jedoch stellte klar, diese Informationen von der CDU zur Verfügung gestellt bekommen zu haben. Diese Daten wurden "zusätzlich mit frei erwerblichen soziodemographischen Daten ergänzt", so Geschäftsführer Reinhard Schlinkert in einer schriftlichen Antwort an SPIEGEL ONLINE.
"Mit der Informationspolitik von dimap und der CDU sind wir nicht glücklich", sagt Datenschützerin Gayk. Zum Beispiel fehlten beim angeforderten Vernichtungsprotokoll – die Datensätze haben CDU und dimap mittlerweile zerstört – und dem Vertrag zwischen den beiden Partnern einige wichtige Informationen. Die bisher gelieferten Dokumente hätten wenig Aufschluss über die Details der Wählerdatenbank gegeben. "Das macht misstrauisch. Vielleicht herrscht bei den Beteiligten aber auch nur ein Unkenntnis über das Datenschutzgesetz", so Gayk. Doch davon kann man bei den beiden Beteiligten eigentlich nicht ausgehen.
CD-Rom wichtiges Beweisstück
Die Datenschützer wollen nun herausfinden, wie das nahezu komplette Wählerverzeichnis zustande gekommen ist. Und warum zum Beispiel dimap ohne Bedenken diese Daten genutzt hat. Die CD-Rom ist dabei ein wichtiges Beweisstück. Dass CDU und dimap in der Zwischenzeit die Datensätze zerstört haben, ist rechtlich zulässig – so schreibt es das Meldegesetz vor. Erstaunlich ist allerdings, wie zügig die Daten gelöscht wurden – denn die Datenvernichtung muss spätestens ein Monat nach der Wahl erfolgt sein.
Dass die Datenschützer dem Fall überhaupt nachgehen können, verdanken sie einem Zufall. Das einzig bekannte Exemplar wurde der Redaktion "Monitor" (WDR) zugespielt – dort haben die Datenschutzbeauftragten von NRW die CD-Rom eingesehen. Zuvor hatte das Politmagazin in einem Beitrag über die Wählerdatenbank berichtet.
Weitere Fälle werden bekannt
Der Verdacht, dass mit dieser CD-Rom das Meldegesetz gebrochen wurden, scheinen die bisherigen Ermittlungen der Datenschutzbeauftragten zu erhärten. Täglich erhalten die Behörde neue Informationen. Das Problem scheint nicht nur auf Köln begrenzt zu sein: Mittlerweile sind ebenso Fälle in Niedersachsen und Hessen bekannt geworden. Darüber tauschen sich die Düsseldorfer Datenschützer nun mit den Kollegen der anderen Bundesländer aus.
Gebracht hat die Wählerdatenbank der CDU jedenfalls wenig. Das sieht auch der Kölner CDU-Politiker Blömer so. Denn sowohl im Wahlkreis 94 als auch in den zwei anderen Kölner Wahlkreisen gewann wieder die SPD.