Jochen Ott ist neuer Vorsitzender der Kölner SPD

Jochen Ott ist neuer Vorsitzender der Kölner SPD
Wahlergebniss: 244 von 294 Stimmen

Rede von Jochen Ott

Aufbruch 2001
Neue Ideen für Köln!

He Kölle, …du bess en Stadt mit Hätz und Ziel!
He Kölle, du bess e Jeföhl –
Singen die "Höhner" über unsere Stadt.

Liebe Genossinnen und Genossen!
Verehrte Gäste,

Die Bürgerinnen und Bürger haben 43 Jahre lang, bei vielen Wahlen, uns die Verantwortung für diese Stadt übertragen, Deutschlands 4. größter Stadt, der größten Stadt Nordrhein-Westfalens.

Namen wie Robert Görlinger, Theo Burauen, John van Nes Ziegler und Norbert Burger stehen für unsere Politik. Für eine lange Strecke erfolgreicher, sozialdemokratischer Politik. Eine Politik, die energischen Einsatz für den wirtschaftlichen Erfolg verbindet mit einer Politik für ein soziales und solidarisches Köln. Auf diese Tradition der Köln-SPD sind wir stolz, mit Recht!

Wir haben damit Maßstäbe gesetzt. Diesen hohen Anforderungen sind wir zuletzt nicht gerecht geworden. Das haben die Wählerinnen und Wählern quittiert. Aber die Wahlniederlagen bieten für uns heute eine große Chance. Denn die Wählerinnen und Wähler haben sich nicht
gegen sozialdemokratische Überzeugungen und Werte gewendet,
nein, die Wahlniederlage ist vielmehr eine Abmahnung.

Die anschließende Diskussion innerhalb der Partei, mit dem Ergebnis, dass wir hier heute einen Neuanfang machen, ist ein deutliches Signal. Ein Signal an die Kölnerinnen und Kölner. Wir haben ihre Mahnung verstanden. Wir wollen und werden verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Wir werden die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger wieder in den Mittelpunkt unserer Politik stellen.

Und wir werden damit überzeugen. Wir wollen ein Angebot an die Bürgerinnen und Bürger formulieren, mit unserem Engagement für die Menschen in Kölns Veedeln und Stadtteilen und mit konstruktiver, aber auch nachdrücklicher Opposition in den Bezirksvertretungen und im Rat der Stadt. Konkret heißt das: In Zukunftswerkstätten wollen wir mit den Menschen vor Ort über ihr Veedel 2020 diskutieren. In Diskussionsforen wollen wir unsere Positionen bestimmen und mit willensbildenden Aktionen und Kampagnen für unsere Überzeugungen werben.

Die Köln-SPD hat immer für das Gemeinwohl der Stadt gestanden.
Köln für alle – war unser Slogan – Die derzeitige Ratsmehrheit in dieser Stadt dient allein den Interessen Einzelner. Deshalb braucht Köln eine starke SPD, damit Köln für alle eine lebenswerte und liebenswerte Stadt bleibt, heute mehr denn je.

Liebe Genossinnen und Genossen,
verehrte Gäste dieses Parteitages!

Es ist an der Zeit, einige Dinge ehrlich zu benennen.
Ich muß zugeben, dass es während der vergangenen 18 Monate für die meisten von uns nicht sehr leicht war, Politik zu machen. Den Absturz unseres Spitzenkandidaten Klaus Heugel im September 1999 mitzuerleben, hat mir weh getan. Ich selbst weiß aus meinem Einsatz im Heugel – Team zu gut, was es heißt, für einen Mann gekämpft zu haben, dessen Konterfei in nur einer Nacht in der ganzen Stadt überklebt werden musste. Das hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Viel wichtiger ist aber: Wir sind an unserem "Kölner-Geflügel" fast zu Grunde gegangen. Interne Grabenkämpfe, haben uns gelähmt – haben uns geschwächt. Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner hat nicht stattgefunden. Auseinandersetzungen mit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger haben wir vernachlässigt. Damit muß Schluß sein!

Es ist Zeit für die Köln-SPD neu aufzubrechen. Vorwärts, statt Stillstand, Miteinander statt Ausgrenzung.

Zum Nutzen dieser Stadt und der Menschen, die hier in Wohlstand, Frieden und sozialer Gerechtigkeit leben wollen, müssen wir endlich wieder gemeinsam Positionen entwickeln. Unterschiedliche Meinungen wird es immer geben, ja muss es geben. Aber in Zukunft müssen wieder die Parteigremien Entscheidungen treffen und nicht irgendwelche Kungelrunden. Dafür brauchen wir auch neue Köpfe.

In diesem Sinne werbe ich um euer aller Mitarbeit. Gemeinsam sind wir stark. Laßt uns die solidarische Gemeinschaft leben, die wir als Anspruch für Köln formulieren. Denn es geht nicht um uns, es geht um Köln.

Liebe Genossinnen und Genossen!

Meine Vision für die Köln-SPD ist eine moderne Partei, in der sich alle Gliederungen als Teil eines Ganzen verstehen und wiederfinden Eine Partei, die sowohl mit den Bürgerinnen und Bürgern als auch untereinander gesprächsbereit und gesprächsfähig ist. Eine Partei, in der Informationen schnellstmöglich ausgetauscht werden. Eine Partei, in der über Inhalte leidenschaftlich gestritten wird, aber nach der Abstimmung an einem Strang gezogen wird. Dafür werde ich arbeiten.
Und nur so werden wir für die Bundestagswahlen 2002 und die nächsten Kommunalwahlen im Herbst 2004 die Menschen überzeugen können, wieder zur Wahl zu gehen und SPD zu wählen.

Liebe Genossinnen, liebe Genossen,

Den Spaßfaktor in den Ortsvereinen erhöhen"…. so überschrieb der Kölner Stadtanzeiger seinen Artikel nach meinem ersten Gespräch mit der Redaktion. Dieser Begriff Spaßfaktor, dazu noch mein jugendliches Alter, da war ich für manche schon ins Abseits der Fun-Gesellschaft gelaufen. Weiß der denn nicht, dass Politik eine ernste Angelegenheit ist? Mag sich so mancher gefragt haben.

Nun denn, ich bekenne, ich habe Spaß an ernsthafter Politik. Ich habe Lust für Köln und die Menschen in dieser Stadt zu arbeiten. Dieses Bekenntnis zu Spaß und Lust teile ich mit vielen Menschen, die aus ihrem Alltag wissen, dass nur mit Freude Höchstleistungen zu bringen sind.

In diesem Sinne, denke ich, sind Freude und Lust, gerade für ehrenamtliche Politiker keine schlechte Motivation. Machen wir also mit Lust gute Politik für Köln. Laßt uns mit Spaß an harter Arbeit dafür sorgen, dass die Wählerinnen und Wähler wieder Spaß haben uns zu wählen.

Genossinnen und Genossen

Die vergangenen 20 Jahre waren sehr gute Jahre für diese Stadt. In diesen Jahren haben bedeutende Männer und Frauen aus unserer Partei Verantwortung für Köln getragen. Es war die SPD, in der große Visionen entstanden sind.

Was haben die anderen Fraktionen gelacht, als die SPD-Fraktion Köln zur Medienstadt erklärt hat. Wir haben es geschafft. Wir waren 1999 die Nummer 1 in Deutschland.

Den unglaublichen Strukturwandel, dem Großstädte unterliegen, haben unsere Politiker mit großem Erfolg bewältigt. Der rapide fortschreitenden Finanzschwäche der Kommunen haben Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Modelle für Budgetierung und schlanke Stadtverwaltung entgegengesetzt. Es waren ebenso Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die im Gesundheits- und Sozialbereich Konzepte entwickelt haben, die als Kölner Modell bundesweit Nachahmung fanden. Es wäre unredlich, die Leistungen von Norbert Burger, Lothar Ruschmeier und Klaus Heugel unter den Teppich zu kehren.

Das jetzt Ideengeber und Führungspersönlichkeiten vermißt werden, zeigte sich Anfang diesen Jahres, als die ersten 100 Amtstage des derzeitigen Oberbürgermeisters zu bewerten waren. Die Noten waren nicht besonders gut: Inzwischen schreibt der Express sogar: „Wenn Schramma so weiter macht, wird er zum Standortnachteil.“

Gut – er kümmert sich um Details – er kümmert sich um Abfallkörbe, schön –wir warten noch darauf, dass sie aufgestellt werden.
Er repräsentiert auch gerne. Einweihungen liebt er besonders. Das fällt ja auch leicht, denn wir haben in den vergangenen Jahren das Feld bereitet, auf dem er jetzt Früchte einsammelt.

Aber, wird er dieses Kölner Feld auch weiter beackern?
Mit Fleiß, Ausdauer, Hartnäckigkeit, Einfallsreichtum und einem Blick für das Wesentliche?
Einem Blick, der über den nächsten Feldweg und die nächste Jahreszeit hinausreicht?

Genossinnen und Genossen,

Da habe ich große Zweifel, sehr große Zweifel.

Wir Sozialdemokraten haben in Nordrhein-Westfalen mit enormer Anstrengung die Änderung der Gemeindeordnung durchgesetzt. In der Hand des Oberbürgermeisters ist nun gebündelt, was zuvor geteilt war. Repräsentation und Verwaltungsführung.

Und wie nutzt der Kölner Oberbürgermeister dieses Instrument ?
Er schickt den pünktlich erkrankten Stadtdirektor in teure Pension und besetzt nach einer Ausschreibungsfarce sondergleichen das Amt mit Jemandem, der ihm die für ihn lästige Verwaltungsarbeit vom Halse halten soll.

Der Oberbürgermeister muß mehr sein als der Repräsentant der Kölnerinnen und Kölner. Er muß Manager sein.

Liebe Genossinnen und Genossen,
Der Kölner Kämmerer erfreut sich bundesweit außerordentlicher Reputation.
Jede Stadtverwaltung wäre froh um einen solchen Fachmann. Werner Böllinger ist Sozialdemokrat und arbeitet loyal mit der CDU-Stadtspitze zusammen. Aber, fachliche Kompetenz, Loyalität, Stadtinteresse, das sind nicht die Maßstäbe von Fritz Schramma. Er schaut wortlos zu, wie Parteibuchvertraute in der Stadtverwaltung verankert werden.

Deshalb verliert die Kölner Stadtverwaltung einen exzellenten Fachmann.
Über die Glanzrolle im Vorlauf zu den Olympischen Spiele 2012 brauchen wir hier nicht weiter zu reden.

Mir scheint, liebe Genossinnen und Genossen, Fritz Schramma und die CDU haben nicht verstanden, welchen Auftrag ihnen die Wählerinnen und Wähler mitgegeben haben oder, das wäre noch viel schlimmer, sie ignorieren ihn vielleicht sogar wissentlich.

Arbeiten für die Menschen in dieser Stadt, Ideen formulieren, Modelle entwickeln für das friedliche Zusammenleben in einer Großstadt des 21. Jahrhunderts.
Darum geht es. Und um nichts weniger.

Wir wollen konstruktive Oppositionsarbeit leisten.
Die Bürgerinnen und Bürger akzeptieren Opposition gegen alles heute nicht mehr und das ist gut so. Deshalb werden wir mit den anderen Parteien in einem Wettbewerb um die besseren Ideen für das Köln von Morgen werben. Und ich sage Euch: Wir werden diesen Wettbewerb gewinnen!

Viele Jahre hat die Kölner Sozialdemokratie Visionen für diese Stadt entwickelt. Jetzt haben uns die Wählerinnen und Wähler eine Denkpause verordnet. Nutzen wir die Zeit dazu, Sichtweisen zu überprüfen und Fragen zu stellen.
Was bewegt die Menschen in dieser Stadt?
Welche Interessen haben sie?
Was erwarten sie von uns?
Sind es Vorschriften oder Hilfe, Zwänge oder Angebote?
Das Durchsetzen von Interessen oder die Vermittlung zwischen Interessen?
Fühlen sich die Menschen ernst genommen, wenn wir ihnen per Parteitagsbeschluss sagen, wie sie ihr Leben zu gestalten haben?

Sozialdemokratische Politik ruht auf festen Grundsätzen und Werten. Wir wissen, wo wir herkommen und was wir erreichen wollen. Aber es ist dringend notwendig, diese Grundenergie aufzuladen am Netz der Realität. Dafür suchen wir den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Die sozialdemokratischen Werte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit haben nichts an Wert verloren. Das sehen auch die Menschen in Köln. Für eine lebenswerte, offene und leistungsstarke Stadt gelten diese Grundsätze heute mehr denn je. Aber die Zeiten ändern sich heute schneller denn je.
Deshalb müssen wir Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit immer wieder neu übersetzen! Dauerhafte Maßstäbe für immer neue Herausforderungen. Das erwarten die Menschen von uns. Und nicht das Festhalten an Rezepten von gestern, die heute zwar gut gemeint, aber eben nicht mehr gut sind.

Was heißt z.B. Solidarität heute?

Bei einem Besuch der Ford – Werke mit meinen Schülerinnen und Schüler haben diese die Gelegenheit gehabt, mit dem Betriebsrat zu diskutieren. Im Büro des Betriebsrates hing eine Fahne der IG-Metall mit dem Spruch „Solidarität ist unsere Stärke“.

Und dann meldete sich eine Schülerin und fragte, was heißt eigentlich Solidarität?

Liebe Genossinnen und Genossen,
ich habe natürlich als Hausaufgabe für die nächste Stunde aufgegeben, den Begriff nachzuschlagen.

Aber dieses Beispiel zeigt, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben es nicht geschafft, dem Individualisierungstrend einen solidarischen Beifahrer zu geben. Die Jugendlichen werden heute mit dem Credo groß "jeder ist seines Glückes Schmied“. Ellenbogen sind angesagt. Aber gleichzeitig wächst bei vielen jungen Leuten auch die Sehnsucht nach gegenseitigem Beistand, nach verläßlichen Freunden und Kollegen, die Sehnsucht nach eben jener nicht mehr bekannten Solidarität.

In einer Schreibwerkstatt Kölner Gesamtschulen schrieb der Organisator im Vorwort, ich zitiere, „die Jugendlichen haben sich mit dem gesellschaftlichen Drama beschäftigt, in dem sie alle leben. Dass ihre Gesellschaft reich ist und arm, und dass eine sinnstiftende soziale Mitte, eine Vision vom Miteinander fehlt.“

Es fehlt also genau das, wofür wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer standen und heute noch stehen.

Für Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Aber was bedeutet das heute konkret?

Wem gehört denn in dieser Stadt unsere sozialdemokratische Solidarität?
Den sozial Schwachen? Klar!
Dem Boten, der nachts um 11 in einem nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis eine Pizza ausliefert?
Den Menschen, die um diese Zeit am nicht tarifrechtlich geregelten oder gar freiberuflichen Arbeitsplatz zwischen Computern ihre Pizza verdrücken?
Den Menschen, die gerne abends um 9 Uhr noch einkaufen?

Solidarität ist für mich eine Vision vom Miteinander in dieser Stadt.

Die Köln-SPD darf und wird den Menschen ihre Lebensentwürfe nicht mehr diktieren.
Sondern wir wollen gemeinsam mit den Menschen vor Ort über deren und über unsere Vorstellungen von der Gesellschaft diskutieren.

In unserer Mitgliedschaft sind viele gesellschaftliche Gruppen nicht vertreten. Wir wollen aber die überwältigende Mehrheit von unserem Konzept des Zusammenlebens und der Solidarität überzeugen.

Die Menschen in Köln sind Frauen oder Männer, sie sind hier geboren oder im Ausland, sind arm, gut verdienend, reich oder gar vermögend. Sie sind hetero, schwul, lesbisch, bekennen sich zu ihrer Religion, schimpfen werktags als Autofahrer auf die Stadt und am Wochenende als Radfahrer.
Kurzum, sie sind Individuen mit eigener Lebensplanung, eigenen Vorlieben, Visionen, mit Stärken und Schwächen.

Aber, diese Menschen, wir alle, leben hier in Köln. Zusammen!

Und wenn diese Bürgerinnen und Bürger uns wählen, erwarten sie von uns, dass wir ihr Zusammenleben in ihrem Interesse organisieren und moderieren.

Wenn wir diesen Auftrag als Moderator, als ausgleichende Kraft akzeptieren, wenn wir dies in unserer politischen Handlung deutlich machen, wenn wir Teilhabe organisieren statt Ausschluss, Integration betreiben statt machtpolitischer oder ideologischer Ausgrenzung, wenn wir Kölns Kräfte bündeln, statt wie CDU und FDP in Interessenpolitik zu zersplittern.
Wenn wir das leisten, da bin ich ganz sicher, dann können wir darauf vertrauen, dass die Menschen uns den Auftrag geben, die solidarischen Gemeinschaft in einer Großstadt zu gestalten.

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir wollen gemeinsam als Köln-SPD aufbrechen und unsere Kräfte bündeln. Wir haben viel zu tun.
Dazu brauchen wir Mut, Kraft und Ausdauer.

Wir wollen gemeinsam mit den Vorbereitungen der Wahlsiegkampagnen 2002 und 2004 beginnen.

Von heute an schauen wir in die Zukunft. Wir werden die Menschen in Köln gewinnen.
Köln braucht eine starke SPD!
Wir treten an,
ich bitte um euer Vertrauen, für mich und für das gesamte Team.